Freitag, 22. Juli 2011

Über kommunistischen Antikommunismus

Sehr interessant auch folgender Artikel, entnommen dem "Kritische Massen" - Blog von Sepp Aigner, dem ich von ganzem Herzen zustimme. Ein fundierter Klassenstandpunkt ist eben unverzichtbar bei der Analyse der Gegenwart und einer daraus resultierenden revolutionären Strategie und Praxis.

In den Politischen Thesen haben führende DKP-Genossinnen und -Genossen festgestellt, dass das Leben ein Lernprozess ist, der Klassenkampf zumal. Das ist nicht so ganz neu. Neu daran ist nur, das als etwas Neues hinzustellen. Die Kommunisten sprechen seit jeher von der Schule des Klassenkampfs und handeln auch nicht selten danach. Das hilft ihnen nichts. Sie müssen jetzt endlich lernen, was sie schon immer gemacht haben. Lehren und Lernen schliessen einander nicht aus, sondern seien bloss verschiedene Aspekte des selben Prozesses, nämlich zu versuchen, die Welt zu verstehen. Dafür sei sogar die "geistige Arbeit der ganz konkreten Menschen" erforderlich, erfahren wir in den Politischen Thesen, und dass der Frontalunterricht veraltet ist. Gut, Genossinnen und Genossen, es kann ja nichts schaden, wieder einmal aufzuschreiben, was seit hundert Jahren gedacht und gemacht wird.

 
Aber wozu behauptet Ihr, das sei was Neues ?
 
Die Methodik in den Politischen Thesen besteht darin, eine angeblich veraltete kommunistische Theorie und Praxis zu denunzieren und zu verfälschen:
   
"... dass Klassenbewusstsein nicht durch eine Praxis entsteht, die mit dem vereinfachten Bild vom „Hineintragen des Klassenbewusstseins" umschrieben werden kann. ... nicht in erster Linie in einer platten „ideologischen Aufklärung" ... Es muss vom bestehenden tatsächlichen Bewusstseinstand der Menschen ... ausgegangen werden."
Wann haben Kommunisten sich auf das Predigen von Klassenbewusstsein und Aufklärung beschränkt ? Wann hätten die Kommunisten nicht versucht, am tatsächlichen Bewusstseinsstand anzuknüpfen ? Tun sie das nicht täglich in Betrieb und Gewerkschaft, im Wohnumfeld ?
 
Dass ständig an der Qualifizierung von Agitation und Propaganda gearbeitet werden muss, um Unzulänglichkeiten, Plattes, Schablonenhaftes zu überwinden, ist eine Sache. Eine andere ist, Unzulänglichkeiten als das bisher Typische hinzustellen und diesem Popanz "etwas Neues" entgegenzustellen.
 
Wie entsteht ein kommunistischer Standpunkt ?
 
Er entsteht aus der Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse, der in ihnen vorkommenden Interessen, und zwar - weil wir Kommunisten sein wollen - aus dem Blickwinkel der Interessen der Arbeiterklasse; - der objektiven, aus den Verhältnissen abzuleitenden, nicht etwa aus den verbreitetsten Meinungen. Er entsteht nicht aus betrieblichen und gewerkschaftlichen Erfahrungen. Daraus entsteht auch bei Kommunisten nicht mehr als bei anderen, nämlich im besten Fall ein trade-unionistisches Bewusstsein. Die Methodik und die Grundstruktur der gesellschaftlichen Verhältnisse haben wir von Marx, Engels, Lenin - das, was man Historisch-dialektischen Materialismus und Politische Ökonomie nennt. Das ist eine geschlossene, zu allen anderen abgegrenzte Weltanschauung.
 
Das bedeutet nicht, die Erkenntnisse anderer zu ignorieren. Unsere "Klassiker" führen beispielhaft vor, wie solche aufzunehmen sind: sie aufhebend im marxistischen Sinn, also ihre - wenn es sich nicht um mit marxistischer Methodik erworbende Erkenntnisse handelt - notwendigerweise fehlerhaften Seiten kritisierend und ihren Wahrheitsgehalt unserem Wissen einverleibend. Das ist etwas anderes als das eine mit dem anderen zu einem "globalisierungskritischen" Brei zuvermantschen.
 
Wie revidiert man einen kommunistischen Standpunkt ?
 
Zum Beispiel so wie Konrad Schuhler:  
"In den alten Tagen des Marxismus hat man gesprochen von der materiellen Basis einer Gesellschaft, der wirtschaftlichen Produktion, einerseits und andererseits vom politisch-kulturellen Überbau, der nichts anderes sein könne als die komplementäre Entsprechung der Basis. ...

... Statt Basis und Überbau: Akkumulationsmodell und Regulationssystem

Diese grobe Vorstellung von Basis und Überbau gilt mittlerweile auch unter Linken als überholt. Die materielle Basis hat der Denkfigur des Akkumulationsmodells Platz gemacht und der Überbau der Vorstellung vom Regulationssystem. Danach gilt im Akkumulationsmodell eine bestimmte Funktionslogik, im Kapitalismus die des Höchstprofits, aber wir haben in der Politik ein Regulationssystem, worin je nach den vorhandenen Kräfteverhältnissen der verschiedenen Klassen und Gruppen die Prämissen und insbesondere die Ergebnisse der Akkumulation korrigiert werden können. So mag zwar die Einkommensverteilung im Akkumulationssektor außerordentlich zu Ungunsten der Beschäftigten ausfallen, aber eine ausgleichende Sozialpolitik würde dann den Subalternen kräftig zu Hilfe kommen und die Ergebnisse der „primären Verteilung" korrigieren. Je nach den verschiedenen Kombinationen von Akkumulationsmodell und Regulationsweise haben wir es mit „varieties of capitalism" zu tun, mit verschiedenartigen Kapitalismen."
( http://www.ag-friedensforschung.de/rat/2009/schuhler.html )

DAS ist es, was wir neu lernen sollen. Wir sollen lernen aufzuhören, Kommunisten zu sein. Das ist kaum weniger schwierig, als Kommunist zu sein. Es braucht Übergangsformen. Eine hilfreiche ist, den Marxismus erstmal "neu zu interpretieren". Linkspartei-kompatibel.

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