Montag, 10. September 2012

Alles Antisemiten außer Mutti...

Aus gegebenem Anlaß


Seit Freitag (07.09. 2012) ist in der Bad Belziger Steintherme die Wanderausstellung "Das hat's bei uns nicht gegeben - Antisemitismus in der DDR" der Amadeu-Antonio-Stiftung zu bestaunen. Das sonst niemand das Maul aufmacht, werd ichs mir wohl mal wieder verbrennen müssen. Nachfolgend ein Artikel, entnommen www.antifa.de, der sich kritisch mit den Hintergründen und Intentionen dieser Ausstellung beschäftigt. (sw)


In Berlin/Brandenburg aber auch bundesweit sorgt seit dem Frühjahr 2007 eine Ausstellung für Schlagzeilen, welche die sozialistische DDR mit Antisemitismus in Verbindung bringt. Unter dem Titel "Das hat es bei uns nicht gegeben. Antisemitismus in der DDR" wird der Eindruck erweckt, dass die DDR ein judenfeindlicher Staat gewesen sei. Dies ist natürlich nicht so und beim Blick auf die Ersteller und Geldgeber der Ausstellung wird schnell deutlich, dass aber gerade dies Ziel der Exposition ist: die DDR, ihre Bürger und Sicherheitsbehörden sollen als antisemitisch stigmatisiert werden.

Dafür müssen zum Teil haarsträubende "Beweise" und "Beispiele" herhalten. Von der antifaschistischen Erziehung, Gedenkforschung, weitreichenden Entnazifizierung oder Ehrung von WiderstandskämferInnen in der DDR gibt es in der Ausstellung nichts; ebenso wenig über die Nazi-Kontinutität in der BRD.

Wir dokumentieren einen Beitrag von Hans Daniel, der sich mit der Ausstellung kritisch befasst. Der Artikel erschien erstmals am 5.10.07 in der Tageszeitung
junge Welt.

"Spurensuche in Jamlitz"

»Das hat’s bei uns nicht gegeben! – Antisemitismus in der DDR«: Hintergründe einer Verleumdungskampagne über einen der »größten Skandale der DDR«

Von Hans Daniel

Ende September wurde die federführend von der Amadeu-Antonio-Stiftung betreute und vorwiegend von der »Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur« gesponserte Wanderausstellung »Das hat's bei uns nicht gegeben! – Antisemitismus in der DDR« nach ihrer Premiere im April erneut in Berlin präsentiert. Weitere Stationen werden in den nächsten Wochen Fürstenwalde, die Berliner Bezirke Pankow und Neukölln, Pirna und Bernau sein. Die hier (meist auf der Grundlage von Akten der staatlichen Ermittlungsbehörden) zusammengetragenen Einzelbeispiele antisemitischer Vorfälle in der über 40jährigen Geschichte der DDR sollen das generelle Verdammungsurteil rechtfertigen: »Der Bodensatz blieb unangetastet«.

Man wird lange in den Archiven der im Springer-Verlag erscheinenden Tageszeitung Die Welt suchen müssen, um eine Übereinstimmung des Blattes mit dem ostdeutschen Faschismusforscher Prof. Dr. Kurt Pätzold zu finden. In einer umfangreichen Würdigung der Antisemitismus-Ausstellung gibt es aber eine solche. »Sachlich durchaus richtig«, resümiert Die Welt einen ND-Beitrag des Historikers vom 7. April dieses Jahres, »faßt Pätzold die Kernaussagen der Ausstellung zusammen: ›Der untergegangene deutsche Staat soll seines Charakters als antifaschistisches Staatswesen entkleidet werden. Daß er sich so darstellte, wird als bloße Lüge zum Zwecke seiner Legitimation dargestellt. In Wahrheit habe er die Hinterlassenschaften des Naziregimes, hier Bodensatz genannt, unangetastet belassen‹.« (Die Welt, 27. Juli 2007, S. 30: »Die Opfer weisen viel Zahngold auf«)

Am 30. Juli wird dieser Artikel noch einmal bei WeltOnline nachgereicht – mit einer verschärften Schlagzeile: »Stasi schändete die Leichen von KZ-Opfern«. Die Ausstellung zeige, daß Antisemitismus in der DDR »alltäglich war«, heißt es in der Einleitung und: »Die schockierendste Erkenntnis der Aufarbeitung: Stasi-Mitarbeiter raubten die Zahnfüllungen jüdischer KZ-Opfer«. Bezug genommen wird auf eine der 36 Ausstellungstafeln. Was hier zu sehen ist, wird – drei Wochen nach dem Pätzold-Beitrag –im Neuen Deutschland vom 27. April wie folgt resümiert: »Eine Tafel beschreibt, wie 1971 im brandenburgischen Jamlitz ein Massengrab ehemaliger jüdischer KZ-Häftlinge entdeckt wurde und wie MfS-Mitarbeiter, bevor die menschlichen Überreste entgegen jüdischem Brauchtum feuerbestattet wurden, ihnen insgesamt ›1080 g Zähne und Zahnprothesen‹ entnahmen.« (Die Welt: »Irritierend ist, daß ausgerechnet das PDS-Blatt Medienpartner der Ausstellung ist.«)

Folgt man dieser Darstellung, so bietet Jamlitz in der Tat den Stoff, mit dem – über das einstige Ministerium der Staatssicherheit der DDR als immer willkommenem Vehikel – im Geiste der Totalitarismusdoktrin eine der übelsten Aktionen zur Delegitimierung des Antifaschismus der DDR inszeniert werden kann. Willkommene Gelegenheit auch, jenen Mitarbeitern des MfS am Zeug zu flicken, die zu DDR-Zeiten dazu beigetragen haben, die tiefbraunen Westen und so manche blutbefleckte Hand bundesdeutscher Prominenz ans Licht zu holen.