Donnerstag, 3. November 2011

Communisme aujourd'hui (II)

Die DKP hat am 30. Oktober 2011 eine theoretische Konferenz durchgeführt. Auf ihr sollten unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche Standpunkte zu verschiedenen Fragen diskutiert werden. Zu drei Schwerpunktthemen (»Aktuelle politische, ökonomische und soziale Strategien des Kapitals«, »Arbeiterklasse – neue Strukturen, neue Bedingungen des Kampfes« und »Die Rolle der DKP in der heutigen Zeit«) und Referaten von u.a. Nina Hager, Georg Polikeit, Achim Bigus und Patrick Köbele diskutierten über 230 Teilnehmer. Gäste waren Georgina Alfonso Gonzalez aus Kuba und Petros Mentis von der griechischen KKE.

An den revolutionären Bruch heranführen

Dokumentiert. »Die antimonopolistische Strategie – nie war sie so wichtig und richtig wie heute.« Rede auf der theoretischen Konferenz der DKP

Von Hans-Peter Brenner
 
Über »Strategien des Kapitals« zu reden, hieße eigentlich, sich grundsätzlich über Prinzipien der Machtausübung und -sicherung der herrschenden Klasse zu verständigen und dann zu prüfen, wie diese Grundlinien sich in Teilbereichen niederschlagen: politisch, militärisch, sozial, ideologisch, kulturell– und in welchen unterschiedlichen Methoden und Formen sie das tun. Das ist in der Zeit von 15 Minuten nicht möglich. Ich trage statt dessen acht Thesen zur aktuellen Krisenbewältigungsstrategie der herrschenden Klasse vor.
 

Die erste lautet: Die zwei Hauptvarianten kapitalistischer Herrschaftsausübung bilden auch heute das strategische Fundament des deutschen Imperialismus. Lenin unterschied zwei grundsätzliche politische Varianten der Herrschaftsausübung der Bourgeoisie. Dazu schrieb er 1910 in seiner Arbeit »Die Differenzen in der europäischen Arbeiterbewegung« folgendes: »Die Bourgeoisie bildet in allen Ländern unvermeidlich zwei Systeme des Regierens heraus, zwei Methoden des Kampfes für ihre Interessen und für die Verteidigung ihrer Herrschaft, wobei diese zwei Methoden bald einander ablösen, bald sich miteinander in verschiedenartigen Kombinationen verflechten. Die erste Methode ist die Methode der Gewalt, die Methode der Verweigerung jeglicher Zugeständnisse an die Arbeiterbewegung, die Methode der Aufrechterhaltung aller alten und überlebten Institutionen, die Methode der unnachgiebigen Ablehnung von Reformen. Darin besteht das Wesen der konservativen Politik. (…) Die zweite Methode ist die Methode des ›Liberalismus‹, der Schritte in der Richtung auf die Entfaltung politischer Rechte, in der Richtung auf Reformen, Zugeständnisse usw. Nicht aus böser Absicht einzelner Personen und nicht zufällig geht die Bourgeoisie von der einen Methode zur anderen über, sondern infolge der radikalen Widersprüche ihrer eigenen Lage.« (Lenin, Werke 16, S. 356)


Sozialreaktionär, nicht »neoliberal«

Geht man von dieser Definition aus, so muß man die in der BRD derzeit bevorzugte Grundstrategie der Bourgeoisie als konservativ und sozialreaktionär einstufen und nicht als »neoliberal«.

Es dominiert doch wohl im Inneren der Versuch, die »Methode der Verweigerung jeglicher Zugeständnisse an die Arbeiterbewegung« anzuwenden, »die Methode der unnachgiebigen Ablehnung von Reformen«, die im Interesse der arbeitenden Menschen nötig wären. Daran ändert auch die Entwicklung eines »grünen« Kapitalismus nichts. Der Umstieg von der Kernenergie in sogenannte alternative Energien beweist lediglich die strategische Flexibiliät der Konzerne, dort zu investieren, wo künftig die meisten Profite zu holen sind. Auch beim »Green New Deal« geht es um Profimaximierung. Und auch hierbei geht es um die kapitalistische Warenproduktion. Und dabei interessiert nicht der konkrete Gebrauchswert der Ware, sondern sein Tauschwert, d.h. seine Eigenschaft, durch den Kauf­akt Gewinn zu kreieren für das Kapital.

Außenpolitisch geht es um die Behauptung und Erweiterung des eigenständigen Spielraums für die weltweiten Interessen der deutschen Konzerne und Banken an Rohstoffen und militärisch gesicherten Transportlinien für Export und Import sowie an Garantien für ihre Auslandsinvestitionen und Kredite für »kooperationswillige« Regime. Deshalb beteiligt sich der BRD-Imperialismus auch an neokolonialen Kriegen im Bündnis mit den USA und der NATO. Die »Lasten« der faschistischen Vergangenheit mit ihren gescheiterten brutalen Welteroberungsplänen und Kriegen sowie eine noch immer relativ schnell zu mobilisierende Antikriegsbewegung zwingen ihn, diese Aggressionen mit dem Deckmantel der »Sicherung der Menschenrechte und des Schutzes der Zivilbevölkerung« zu tarnen. Die offizielle Nichtbeteiligung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Libyen ist u.a. diesem Zwang zur Rücksichtnahme geschuldet gewesen und keinesfalls ein Ausdruck größerer prinzipieller Friedfertigkeit als die seiner imperialistischen Konkurrenten innerhalb der EU. Der imperialistische und neokoloniale Krieg gegen Libyen belegt aber die besondere Dreistigkeit und Brutalität der ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien, die eine deutsche Konkurrenz im afrikanisch-arabischen Mittelmeerraum, ihrem früheren kolonialen Einflußbereich, nicht zulassen wollen.

Der Begriff »neoliberal« besitzt m.E. insgesamt aus der Sicht des wissenschaftlichen Sozialismus absolut keine ausreichende analytische Präzision zur Charakterisierung der gegenwärtigen Herrschafts- und Regierungsmethode. Noch weniger stimme ich der Gleichsetzung einer »Methode« des Regierens oder gar einer nur volkswirtschaftlichen Doktrin – der Ordo- oder Neoliberalismus ist ursprünglich nichts anderes als eine volkswirtschaftliche Lehre – mit einer neuen Kapitalismusvariante namens »neoliberaler Kapitalismus« zu. Es geht dabei nicht um Begriffshuberei, sondern um die Klarheit in der marxistischen Analyse unserer Gesellschaft und unserer Kampfbedingungen.

Krise des Imperialismus

Die zweite These, die ich formulieren möchte, besagt, daß es nicht nur um eine Krise »des« Kapitalismus geht, sondern um eine des Imperialismus und staatsmonopolistischen Kapitalismus (Stamokap).

Der Kapitalismus von heute ist Monopolkapitalismus, d.h. in der Terminologie des Marxismus-Leninismus: Es handelt sich um Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium. Nach 1945 hat sich zudem der »staatsmonopolistische Kapitalismus« voll ausgebildet. Wir haben es mit einer Krise zu tun, die sich zu einer tiefen Krise des gesamten Systems der kapitalistischen Produktionsweise ausweiten kann. Dabei darf man aber nicht von einem automatischen Zusammenhang zwischen ökonomisch-finanzieller und politischer Systemkrise ausgehen. Einen zwangsläufigen »Großen Kladderadatsch« wie ihn die alte SPD vor 1914 erhofft hatte, wird es ohne aktives Handeln der breiten Massen der Werktätigen nicht geben.

Warum ist es wichtig, das zu betonen? Im Namen der Delegation der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) hat vor vier Wochen Genosse Felipe Gil beim 15.Internationalen Seminar der Partei der Arbeit Mexikos Einschätzungen der PCC zur internationalen Krise des Monopolkapitalismus vorgetragen. Er problematisierte die verschiedenen und zum Teil gegensätzlichen Deutungsversuche der Krise auch innerhalb der kommunistischen Bewegung: »Heute ist der Hinweis auf die Krise des Kapitalismus schon eine Banalität. Krise der Wirtschaft oder Finanzen für die einen, des neoliberalen Modells für die anderen oder des kapitalistischen Systems für die dritten. Die verschiedenen Ansätze und vielfältige methodische und ideologische Herangehensweisen führen zu unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft der Welt im 21. Jahrhundert.« Gil war einer der Koautoren des 2002 im Neuen Impulse Verlag erschienenen Buches »Imperialismus heute – Über den gegenwärtigen transnationalen Monopolkapitalismus«. Ich halte das für das wichtigste und viel zu wenig benutzte Buch der marxistisch-leninistischen Imperialismustheorie der letzten 25 Jahre.

Die Kubaner hatten in ihrem Buch betont, daß die von Lenin und den Bolschewiki siegreich erfochtene Oktoberrevolution auf der Basis der Leninschen Imperialismustheorie und seiner Analyse der »ungleichen Entwicklung im Imperialismus« errungen worden war. Sie bemängelten in diesem Zusammenhang, daß der junge Antonio Gramsci »gedanklich recht unscharf« behauptet hatte, »daß es sich um eine Revolution gehandelt habe, die gegen das ›Kapital‹ durchgeführt worden wäre«. (Imperialismus heute, a.a.O., S. 53f.)

Ich stimme dem zu und ergänze: Die DKP-Theoretiker und Kapitalismusforscher Josef Schleifstein und Heinz Jung wiesen in den späten 70er Jahren in ihrem Buch »Die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus und ihre Kritiker« (1979) auf eine Besonderheit des Stamokap hin: die flexible und wechselnde Gewichtung zwischen seiner »etatistischen« und seiner »privatmonopolistischen« Variante.

Es geht dabei um den mal strafferen und dann mal wieder lockereren Dirigismus des kapitalistischen Staates innerhalb der für den Stamokap typischen »Vereinigung der Macht der Monopole mit der des Staates« (Lenin). In der Krise wird dieser Dirigismus intensiviert. Und derzeit haben wir es mit einem verstärkten »etatistischen« Dirigismus zu tun. Von »dem Kapitalismus« zu sprechen, ist also analytisch viel zu unscharf. Es geht um Imperialismus und Stamokap

»Neuer Kapitalismus«

Dritte These: Ohne die marxistisch-leninistische Theorie des Monopol- und Finanzkapitals versteht man die Strategie des Großkapitals nicht.

Politiker, Partei und Medien tun alles, um die Ursachen der Krise zu verschleiern. Sie reden von »Banken- und Schuldenkrise« oder von der »Krise der Staatsfinanzen«.

Die Krise ist aber Ausdruck des Grundwiderspruchs zwischen Lohnarbeit und Kapital sowie der »Unterkonsumtion der Massen« (K. Marx). Sie ist zudem auch Ausdruck des permanenten Widerspruchs des Imperialismus/Monopolkapitalismus: historisch »überreif« für den Wechsel zu einer höheren Ordnung, den Sozialismus, zu sein.

Die Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital und seine Internationalisierung gehören mit zum Wesen des Imperialismus. Die sogenannte Realwirtschaft und das Bankensystem werden zu einem gemeinsamen Mechanismus »verschmolzen«. Beide Bereiche sind wechselseitig vernetzt und können auch nicht getrennt voneinander »reguliert« werden.

Der Prozeß der »Verschmelzung oder des Verwachsens der Banken mit der Industrie – das ist die Entstehungsgeschichte des Finanzkapitals und der Inhalt dieses Begriffs«. (W. I. Lenin: »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus«, in: LW 22, S. 230)

Die von Marx und Engels analysierte Internationalisierung und Weltmarktorientierung des Kapitalismus sowie die von Lenin konstatierte Dominanz des Kapitalexports bildete am »Anfang des 20. Jahrhunderts« – wie Lenin schrieb– »den Wendepunkt nicht nur in bezug auf das Wachstum der Monopole (…), sondern auch in bezug auf das Anwachsen des Finanzkapitals«. (W.I. Lenin: a.a.O., S. 243)

Dieser »neue Kapitalismus« (Lenin), der vom Finanzkapital dominierte Monopolkapitalismus, hat das modische Etikett »finanzmarktdominierter Kapitalismus« etwa so nötig wie der Imperialismus als weltumspannendes System die Umbenennung in »globaler Kapitalismus« nötig hat. Beides dient objektiv nur dazu, die Präzision und Aktualität der Leninschen Imperialismustheorie zu verschleiern.

Die vierte These lautet: Die Verschmelzung von Bank- und Industriekapital ist eng, aber nicht widerspruchsfrei.

Finanzsektor und »Realökonomie« hängen zusammen wie der Blutkreislauf mit dem restlichen Organismus. Dadurch kann etwa im Fall einer Blutvergiftung der gesamte Organismus infiziert werden. Das Problem der chronischen Überakkumulation von Kapital seit Mitte der 70er Jahre bewirkte zusammen mit Niederlagen der Arbeiterbewegung, daß überschüssiges Kapital stärker im Finanzsektor als in der »Realwirtschaft« angelegt wurde.

Es kam zu einem Ungleichgewicht zwischen Finanzsektor und Realwirtschaft. Die in der Finanzwelt gehandelten Ansprüche übersteigen um ein Vielfaches die produzierten Warenwerte.

Die Krise seit 2007 muß den Zusammenhang zwischen dem Finanzsektor und der Realökonomie, die in den reichen Ländern seit der Krise 1974/75 mehr oder weniger stagniert, wiederherstellen. Dabei kommt es zu einem Zentralisa­tionssprozeß innerhalb des Finanzsektors.

Die großen imperialistischen Mächte, die den internationalen Finanzmarkt beherrschen, darunter die BRD, sorgen nicht zuletzt durch starke Stützungsaktionen dafür, daß ihre eigenen großen Banken überleben und »stärker aus der Krise hervorgehen«. Das ist der Hintergrund für die Uneinigkeit zwischen Merkel und Sarkozy bei der Gestaltung des Rettungsschirms.

Zum Verständnis der aktuellen Krisenbewältigungsversuche ist es wichtig zu wissen, daß der Finanzsektor heute den größten Teil der staatlichen Gruppe der Bourgeoisie stellt. Sie ist konzentriert in staatlichen Banken, in staatlichen Institutionen wie Bundesbank, Steuer- und Aufsichtsbehörden, in Gestalt der deutschen Vertreter bei EZB, IWF und anderen internationalen Gremien des Finanzsektors.

Die wechselseitige Abhängigkeit zwischen dem Staat, den großen privaten Banken und Versicherungskonzernen ist besonders dadurch gegeben, daß letztere »systemrelevant« für die Reproduktion des Gesamtkapitals, für die Staatsfinanzierung und die der sozialen Sicherungssysteme sind. Die Beteiligung der industriellen Großkonzerne an den Banken und besonders die Personalunion zwischen Banken und Industrie­unternehmen führen dazu, daß die Banken im Dienste der industriellen Großkonzerne stehen. Durch wechselseitige personelle Verflechtungen bilden Industrie- und Bankoligarchie eine unauflösliche, aber nicht konfliktfreie Einheit.

These Nummer fünf: Kommunistische Kritik an den herrschenden Strategien muß grundsätzlich antimonopolistisch und antikapitalistisch sein.

Die 17 Euro-Staaten verständigten sich jetzt darauf, die Schlagkraft des Rettungsfonds EFSF auf eine Billion Euro zu vervielfachen. Banken und Versicherungen sollen zudem an einem Schuldenschnitt für Griechenland von 50 Prozent »substantiell« beteiligt werden. Der Marktwert der griechischen Staatsanleihen beträgt aber zur Zeit sowieso schon nur noch 40 Prozent. Damit die Banken die Wertminderung verkraften, müssen sie ihre Kernkapitalquote auf neun Prozent erhöhen, zuerst über den Finanzmarkt, falls das nicht geht mit Hilfe ihrer jeweiligen Nationalstaaten und am Ende unter Zuhilfenahme des EFSF. Auch durch diese von Merkel durchgesetzte Reihenfolge werden die stärksten Banken und die finanzstärksten Staaten begünstigt. Die staatsmonopolistische Regulierung findet auf dem Feld der Konkurrenz zwischen Konzernen und Staaten statt. Sie wird daher die Ungleichgewichte nicht abbauen.

Eine linke, das System insgesamt in Frage stellende Strategie muß deshalb antimonopolistisch sein und eine Konzeption des bewußten Heranführens an den revolutionären Bruch mit dem Gesamtsystem des Kapitalismus darstellen. Das ist etwas ganz anderes als die Orientierung auf eine »nicht-neoliberale« Entwicklung im Rahmen des Kapitalismus mit Elementen der neu aufgelegten sozialdemokratischen »Wirtschaftsdemokratie«, wie sie im neuen Programm der Partei Die Linke formuliert wird.

Recht auf Lostrennung

Sechste These: Widerstand gegen das Europa des Monopolkapitals sowie Fundamentalopposition gegen das Europa der Banken und Konzerne sind notwendig.

Die »Vereinigten Staaten von Europa« sind zwar keine juristische Realität, aber wichtige Elemente wie die von Merkel und Sarkozy angepriesene »europäische Wirtschaftsregierung« sowie die jetzt schon laufende Entmündigung nationaler Regierungen und Parlamente durch die EU- bzw. EZB-Zentralbehörden sind Etappen auf diesem Weg.

Dagegen laufen besonders in den Peripheriestaaten der EU Millionen von Menschen Sturm. Die stark kommunistisch geprägte griechische Gewerkschaftsbewegung mobilisiert zu breiten Widerstandsaktionen und ruft zum Sturz nicht nur der Regierung, sondern zum Bruch mit dem ganzen EU- System auf.

Das ist aus der Sicht der in einer halbkolonialen Abhängigkeit gehaltenen kleineren EU-Staaten absolut legitim und kein »Rückfall in einen überholten Nationalismus«, wie es manche Strategen des »sozialen Umbaus« der EU in und im Umfeld der Europäischen Linken (EL) und der Partei Die Linke kritisieren. Das im Disput zwischen Rosa Luxemburg und Lenin von letzterem verteidigte »Recht auf Lostrennung« von einer imperialen Großmacht gilt auch für die griechische Arbeiterklasse.

Zwar ist dies keine Option, die derzeit für unser Land realistisch wäre, denn es gibt zwar ein »Recht« auf, aber keine »Pflicht« zur Scheidung; aber die Herabstufung Griechenlands zu einer Finanzkolonie der EU berechtigt die griechische Arbeiter- und Volksbewegung zum Kampf für den EU-Austritt. Diesen Kampf müssen auch wir politisch und moralisch unterstützen. »Das Recht auf Lostrennung« von einer imperialen Macht ist absolut legitim.

Kapitalismus ohne Spekulation?

These sieben: Die These vom »finanzmarktgetriebenen Kapitalismus« oder »Kasinokapitalismus« verunklart die Rolle des Monopolkapitals.

Wenn die bürgerliche Wochenzeitung Die Zeit in der vorletzten Woche als Hauptziel der internationalen Proteste gegen das Finanzkapital die Parole verkündete, das »Volk will andere Banken«, und schreibt: »Erst wenn die Staaten mit neuen Regeln eine neue Finanzindustrie schaffen, kann die Krise überwunden werden« – wenn also die bürgerliche Presse und die bürgerliche Politikerkaste so eine Verschleierung des unauflöslichen Zusammenhangs zwischen »Realwirtschaft« und »Finanzwirtschaft« formulieren, kann das nicht erstaunen. Aber ein von der »Spekulation gereinigter Kapitalismus« ist eine Illusion.

Ein System von öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Banken, wie es jetzt auch von Oskar Lafontaine in einem Interview im Neuen Deutschland vor Beginn des Erfurter Parteitags der Linkspartei gefordert wurde, ist gut gemeint und eine klare Abgrenzung vom Kurs der derzeit Regierenden. Aber trotz bester Absicht leidet diese Strategie unter einem »blinden Fleck«. Die daraus gezogenen programmatischen Schlußfolgerungen fokussieren nicht den Widerstand gegen das System des Monopolkapitalismus als ganzes, sondern begnügen sich mit Korrekturen seiner finanzkapitalistischen Auswüchse. Sie »stellen« zwar die »Systemfrage«, aber sie stellen sie unvollständig und lassen die Frage nach der revolutionären Durchbrechung des Zyklus der kapitalistischen Krise und Ausbeutung unbeantwortet.

Klärungsprozeß

Die achte und letzte These: Nur als autonome Partei, die sich an den Grundsätzen der marxistisch-leninistischen Theorie orientiert, diese anwendet und weiterentwickelt, gibt es eine Perspektive für die DKP.

Die inzwischen sichtbar gewordenen Abweichungen der »Thesen des Sekretariats« vom Januar 2010 vom Parteiprogramm der DKP erlauben es, von einer theoretischen Konfusion nicht nur des Textes der »Thesen«, sondern von einer wissenschaftlich unverdaulichen Mixtur einander widerstrebender und widersprechender theoretischer Ansätze bei der Analyse der sozialen und politischen Strategien der Monopolbourgeoisie und der Krise des Imperialismus zu sprechen. Wenn es nicht gelingt, den »Markenkern« der Partei als einer oppositionellen revolutionären Arbeiterpartei mit klarer Fundierung in der marxistisch-leninistischen Imperialismus-, Revolutions- und Parteitheorie im breiten Konsens zu festigen, besteht die Gefahr der organisatorischen Auszehrung und des Aufgehens der Partei in einer »pluralistischen Mosaik-Linken«.

Doch ich bin sicher: Die DKP wird die entscheidende theoretische und organisatorische Frage kollektiv beantworten, wie die Mixtur sich widersprechender gesellschaftstheoretischer Ansätze schrittweise zu klären ist, sich auf dem Boden des in seinem Wesen marxistisch-leninistischen Parteiprogramms formieren und mit ihren Positionen in die politischen Auseinandersetzungen eingreifen.

Dr. Hans-Peter Brenner ist Diplom­psychologe, Psychotherapeut und Mitglied des Parteivorstands der DKP
Quelle: Junge Welt

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