Donnerstag, 9. Februar 2012

Machtnetze

Vor einem Jahr wurde der folgenlose Brief der „Elder Statesmen“ (nicht wenige von ihnen Frauen) abgeschickt. Er blieb nicht nur komplett außerhalb des öffentlichen/politischen Bewußtseins (bzw. wurde dort gehalten), sondern auch die Sache, um die es ging – Israel zur Einhaltung einiger völkerrechtlicher Regeln zu zwingen – wurde und wird unverändert medienweit zum antisemitischen Sündenfall erklärt.
Interessant, was da vor Aller Augen geschieht.

Bürgerliche Politiker, die in ihrer aktiven Zeit mit ihrer „Politik-Sprack“ den Bürger genauso verdummten, wie es bürgerliche Politiker immer und überall tun, sind zu vernünftigen Positionen fähig. Und Politiker der (ehemals) ersten Reihe sind anscheinend ebenso machtlos, wie du und ich, sobald sie nicht mehr im aktiven Dienst stehen.

Politiker handhaben die Macht. Sie wird ihnen befristet übertragen, man könnte auch sagen, geborgt. Selbst mächtig sind sie nicht. Kann Macht überhaupt in Jemandes Besitz sein bzw. personifiziert sich Macht? Zweifellos. Die Eigentümer der großen Kapitalmassen sind in der Tat mächtig. Und die Eigentümer der größten Kapitalzusammenballungen sind die Mächtigen der letzten Instanz. Wer sollte ihnen befehlen? Höchstens der Eine. Sie handeln in Gottes Auftrag. Sie wissen die Dienste ihrer Brzezinski, Kissinger, Cheney usw. usw. zu schätzen, Köpfe, die Analysen und Konzepte vorlegen, brutal und trickreich sind, „das Momentum“ zu nutzen wissen. Aber sie selbst bleiben die Dienstherren.

Sie entscheiden über Millionen- und Milliardenbeträge von Kapital und bestimmen damit über die täglichen Lebensbedingungen der Menschen. Darüber hinaus können sie sich beliebige persönliche Leistungen direkt kaufen. Diejenigen von ihnen jedoch, die  über zwei-, drei-, selbst vierstellige Milliardenbeträge entscheiden, setzen die Steine im größten Spiel. Diese entscheiden nicht nur über Millionen von Menschen, sondern über das Schicksal von Völkern. Sie können nicht anders als imperial. Gott hat es so gewollt.

Das geschieht privat, unöffentlich, in einer für sich seienden Szene. Letzteres nicht so sehr, dank ausgeklügelter Geheimhaltungsstufen, sondern, weil es einfach keine Ebene der Gemeinsamkeit gibt zwischen Göttern und niederen Kreaturen. Aktive Politiker (Medienhuren, Generale, natürlich Professoren, Bürgerrechtler) strampeln (wohlbestellt) gemäß den Ratschlüssen dieser Szene. Im Übrigen sind sie zweitrangig; gern gesehen oder außen vor, wie es paßt.

Dort, wo sich die Macht zentriert (Krysmanski hat das skizziert) hält sich keine starre Struktur. Ihre Elemente sind höchst lebendig, sprunghaft. Die Macht oszilliert. Zwar reagiert sie auf die Ergebnisse des Kapitals (das bekanntlich sowohl gesellschaftliches Verhältnis als auch Prozeß ist – damit erscheint sie plötzlich als abhängig, und es tun sich arge Grenzen ihrer Gotthaftigkeit auf) aber sie ist auch souverän, verkörpert einen Überschuss, bricht ins Uneroberte auf. (In ihrer Virulenz, Schwerfassbarkeit,

Manifestationsfähigkeit, Auslösepotenz mag sie mit dem menschlichen Gehirn vergleichbar sein.) Das Ganze bildet ein Netz, durchaus mit einer Knotenstruktur, das sich aber zugleich beständig neu knüpft und umknüpft, ständig auf dem Weg in die Breite und Tiefe ist, wie das Wurzelwerk eines Baums, um sich die Schätze der Erde anzueignen, dabei auch fähig, Hindernissen auszuweichen, Beschädigungen einzugrenzen, unbrauchbar gewordene Teile des Netzes totzulegen.

Gesellschaftliche Kräfte, die die Größe und Willkür der heutigen Kapitalmacht für lebensgefährlich halten und meinen, dass gesellschaftliche Bewusstheit Not tut, müssen das heutige Machtnetz in seiner Tiefe und seinen Details begreifen, um es zerstören zu können. Und sie müssen seine gesell-schaftlichen Reproduktionskomponenten in vollem Umfang ersetzen. Zu Zeiten der ersten proletarischen Revolutionen – 1870 und 1917 – waren die Revolutionäre der zeitgenössischen Macht mehr als nur auf die Spur gekommen. Sie konnten sie kippen! Das notwendige gesellschaftliche Netz der materiellen Bewusstheit zu knüpfen, gelang ihnen nicht, obwohl Lenins Genie sich der Lösung dieser Aufgabe stellte.

Heute hat die Kapitalmacht viele neue Hürden gegen die Bestrebungen der Revolutionäre errichtet. Die Macht ist schwerer denn je (und höchst flexibel!) befestigt. Aber die Fähigkeiten der Menschen sich in ihrer Leben-swirklichkeit in sozialen Netzen zu bewegen und diese zu gestalten, sind enorm gewachsen.

Quelle: Opablog

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